Jahresbericht
2023

Fritz Rufer

«Sie merken, dass wir ganz normale Menschen sind»

19. April 2016

Im Rahmen des Schulprojekts «COMOUT» besuchen homosexuelle Personen Schulklassen und vermitteln den Jugendlichen Basiswissen zu den Themen Coming-out und Homosexualität. Dabei berichten sie auch von persönlichen Erfahrungen, die sie bei ihrem eigenen Coming-out-Prozess machten. Fritz Rufer ist bereits seit mehreren Jahren Teil des COMOUT-Teams. Im Interview mit Markus Stehle gibt der 31-Jährige Einblick in seine Schulbesuche.

Text: Markus Stehle
Bild: AHSGA

Fritz Rufer

Fritz Rufer zum COMOUT.

 

Fritz, du bist schon seit Längerem bei «COMOUT» dabei. Was hat dich dazu bewegt, beim Projekt mitzumachen?
Ich wollte und will mich dafür einsetzen, dass die Gesellschaft frei von Homophobie wird. Mit den Schulbesuchen kann ich meinen Anteil leisten. Ich habe gemerkt, dass wir bereits bei den Jugendlichen ansetzen müssen. In der Pubertät sind die jungen Menschen formbar und offen für verschiedene Inputs. Sie beginnen, Dinge zu hinterfragen. Sie sollen bereits in jungen Jahren merken, dass Homosexualität nichts Aussergewöhnliches ist.

Wie fühlt es sich an, einer Klasse mit unbekannten Schüler*innen deine eigene Geschichte und damit auch Privates zu erzählen?
Es verlangt Mut. Indem ich über persönliche Erfahrungen berichte, zeige ich auch meine verletzliche Seite. In den allermeisten Fällen wird dies aber nicht ausgenutzt oder gegen mich verwendet, im Gegenteil: Meist wird diese Offenheit honoriert. Immer wieder höre ich von den Schüler*innen, sie fänden es toll, dass wir in die Klasse kommen und mit ihnen über diese Themen diskutieren. Man muss die jungen Menschen auf einer persönlichen Ebene ansprechen. Ich denke, nur so kommt man weiter.

Du erhältst also oft positive Reaktionen von den Schüler*innen?
Grundsätzlich ja. Viele von ihnen haben noch nie direkt bzw. wissentlich mit einer homosexuellen Person gesprochen. Sie schätzen es sehr, dass sie im Rahmen des Schulbesuchs die Möglichkeit erhalten, sich mit einem Schwulen oder mit einer Lesbe auszutauschen und Fragen zu stellen. Teilweise haben die Jugendlichen auch falsche Vorstellungen von homosexuellen Menschen. Durch die Gespräche merken sie, dass wir ganz normale Menschen sind – mit den gleichen Gefühlen, Problemen und Freuden im Leben wie alle anderen auch. Nur vereinzelt können sie mit dem Besprochenen nicht viel anfangen. Das geht dann aber auch völlig in Ordnung. Man kann und soll niemanden dazu zwingen, sich für das Thema Homosexualität zu interessieren.

Kam es auch schon zu schwierigen Momenten?
Ja, das gab es auch schon. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine ziemlich herausfordernde Klasse, in der ein Schüler die Ansicht vertrat, dass ein Mann und eine Frau zusammen gehörten – alles andere sei Perversion.

Wie reagierst du in solchen Situationen?
In diesen Fällen versuche ich, die Jugendlichen durch Gegenfragen zum Denken anzuregen. Es geht nicht darum, ihre Meinung als falsch darzustellen, aber ich möchte Denkanstösse liefern. Wenn ich das schaffe, bin ich zufrieden.

Wie würdest du die Einstellung der Jugendlichen gegenüber Homosexualität insgesamt einschätzen?
Alles in allem sind sie sehr offen. Ich denke, Homosexualität ist heute weniger negativ konnotiert als noch in unseren Jugendjahren. Wenn ich sie bitte, sie sollen sich vorstellen, ein Freund von ihnen hätte zwei Väter oder zwei Mütter, oder ein Freund oder eine Freundin würde sich bei ihnen als homosexuell outen, dann finden die meisten, dass dies kein Problem wäre.

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