Zeit für neue Männlichkeiten. Bild: pixabay.

«Boys Will Be Boys?» Warum die Zeit für neue Männlichkeiten reif ist.

 

23. Mai 2022

«Boys Will Be Boys» – Zeit für neue Männlichkeiten!»: So lautet das Motto der Veranstaltungsreihe «Gender Matters» am Donnerstag, 16. Juni im Raum für Literatur der Hauptpost St.Gallen. Die Gäst*innen diskutieren über alte, neue, geträumte und gelebte Männlichkeiten. 

Text: Rahel Fenini, Predrag Jurisic
Bild: pixabay.com

«Gender Matters» ist eine Veranstaltungsreihe des Kompetenzzentrums Integration und Gleichstellung (KIG). Sie rückt aktuelle Genderfragen in den Fokus und beleuchtet Themen rund um Gleichstellung, Geschlecht und Gesellschaft. Am Donnerstag, 16. Juni findet ein Austausch über alte, neue, geträumte und gelebte Männlichkeiten statt, kombiniert mit Szenen aus «BOYS», einer Doku-Serie des ZDF.

 

Zeit für neue Männlichkeiten. Bild: pixabay.

Zeit für neue Männlichkeiten. Bild: pixabay.com.

 

Was bedeutet «Mannsein» heutzutage? Welches Rollenverständnis haben jüngere und ältere Männer 2022? Wie stehen sie zum Thema Feminismus, ihrer eigenen Sexualität und ihrem Körper? Und welche Transformationsprozesse zeichnen sich ab, wenn es darum geht, mit dem Bild «Boys Will Be Boys» zu brechen?

Diesen und weiteren Fragen widmet sich die neunte Edition von Gender Matters.

Ein Austausch über alte, neue, geträumte und gelebte Männlichkeiten mit

moderiert von Rahel Fenini, Gleichstellungsbeauftragte des Kantons St.Gallen, und unterlegt mit Szenen aus «BOYS», einer Doku-Serie des ZDF.

 

Programmdetails

Donnerstag, 16. Juni 2022, 19.00 bis 20.30 Uhr
Raum für Literatur in der Hauptpost St.Gallen
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Der Eintritt ist kostenlos. Zur Anmeldung geht’s hier lang.

 

«Eine «gesunde Männlichkeit» lässt eine Vielfalt von Männlichkeiten zu»

Vorab zum Anlass hat die Fachstelle für Aids- und Sexualfragen mit Rahel Fenini, der Gleichstellungsbeauftragten des Kantons St.Gallen, über Gleichstellung, patriarchale Strukturen sowie neuen Männlichkeiten geführt:

 

Gleichstellungsbeauftragte des Kantons St.Gallen: Rahel Fenini. Bild: St.Galler Tagblatt.

Gleichstellungsbeauftragte des Kantons St.Gallen: Rahel Fenini. Bild: St.Galler Tagblatt.

 

In welchen Lebensbereichen ist die Gleichstellung der Geschlechter noch nicht erreicht?
Oh, da gibt es so einige. Zu erwähnen sind sicherlich die Bereiche «Wirtschaft und Arbeit»: Hierbei denke ich vor allem an die bestehenden Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Weitere Gebiete sind «Politik und Mitsprache»: Es gab mehr Bundesräte mit dem Namen Hans (13) als insgesamt Frauen (9!) im Bundesrat. Oder aber auch die «Care-Arbeit»: Frauen leisten mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer – sei dies bei der Erziehung von Kindern oder bei der Pflege von Familienmitgliedern.

Aber auch im Bereich «Gesundheit und Sicherheit» gibt es grosse Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Dabei spielen stereotype und patriarchale Rollenbilder eine wichtige Rolle: So werden Frauen z. B. häufiger Opfer von sexualisierter Gewalt. Männer dagegen begehen öfters Suizid, sind öfters kriminell und sitzen mehr im Gefängnis. Zudem achten Frauen mehr auf ihre Gesundheit und sind weniger risikofreudig. Sie holen sich bei gesundheitlichen Problemen häufiger Hilfe, weil sie eher über ihre Gefühle und Befindlichkeiten sprechen. Männer dagegen suchen seltener Ärzt*innen zur Vorsorge auf. Dies ist mit ein Grund, warum sie im Durchschnitt früher als Frauen sterben.

Was sind die Gründe dafür?
Wir leben in einer Welt, die von patriarchalen Strukturen geprägt und durchzogen ist. «Patriarchal» heisst hier ganz simpel ausgedrückt: Alles, was nicht männlich ist, hat weniger Wert; alles Männliche geniesst Privilegien. Daraus resultieren ganz spezifische Rollenvorstellungen und -verteilungen, die zu Ungleichheiten führen können.

Wo können wir als Gesellschaft ansetzen, um Geschlechtergerechtigkeit zu erzielen?
Als Gesellschaft, aber auch als Individuen, gilt es im Kleinen, Persönlichen und Privaten anzusetzen. Wir alle sind tagtäglich in Kontakt mit Menschen: Wir agieren, wir reagieren, wir kommunizieren mit unseren Partner*innen, mit der Familie, mit Freund*innen und am Arbeitsplatz. Bemerken wir in diesen Interaktionen Diskriminierungen und Grenzüberschreitungen? Oder ertappen wir uns selbst dabei, wie wir uns z. B. stereotyper Bilder bedienen?

Falls ja, gilt es, diese Situationen anzusprechen und das Gesagte bzw. das Getane zu thematisieren. Kolleg*innen sind auf sexistische Äusserungen hinzuweisen. Ebenso sind belästigendes Verhalten und stereotypes Denken, was z. B. «einen richtigen Mann ausmacht», zu hinterfragen und zu reflektieren. Das kann überall passieren: im Ausgang, beim Familienfest oder im eigenen Kopf. Erst so können wir neue, alternative (Vor-)Bilder schaffen, die überholte und einengende Geschlechterrollen, die nicht selten gewaltbegünstigend sind, ablösen.

Darüber hinaus können wir politisch aktiv werden oder uns einer Gruppe, einem Verein anschliessen, der sich für Gleichstellung und Chancengleichheit einsetzt.

Stichwort Catcalling und Hate Speech: Beides Phänomene, die sowohl im digitalen als auch im analogen Raum hauptsächlich Männer verüben. Woran liegt das?
Leider gibt es in unserer Gesellschaft nach wie vor das Bild der «schwachen Frau», die dem Mann unterstellt ist, die weniger Wert hat. Eine Frau, die folglich einfach objektifiziert und sexualisiert werden kann. Dieses Bild wird immer wieder von Medien, Filmen oder Rap-Videoclips aufgegriffen, die vor allem junge Männer* konsumieren. Die Wiederholung bzw. das ständige Reproduzieren dieses Bildes kann dazu führen, dass es als «normal» erachtet wird. Zudem stellt selten jemand das diskriminierende Verhalten infrage oder sanktioniert dieses in irgendeiner Form. Dies wiederum bietet einen starken Nährboden für grenzüberschreitendes, diskriminierendes Verhalten wie Catcalling oder Hate Speech. Und das nicht nur gegenüber Frauen, sondern auch gegenüber queeren Menschen.

Was braucht es aus deiner Sicht für eine «gesunde Männlichkeit»?
Es braucht einen offenen, gemeinsamen Austausch darüber, was an traditionellen Männlichkeitsbildern schädlich, ja gar toxisch sein kann – und wie eine «gesunde Männlichkeit» aussehen könnte. Die Diskussion gilt es, nicht nur aus der Perspektive von Frauen* zu führen, sondern auch aus derjenigen anderer marginalisierter Gruppen wie Queers. Und natürlich auch aus der Perspektive von Männern*: Was uns in der Gesellschaft wenig bewusst ist, ist, dass auch sehr viele Männer unter dem stereotypen Männerbild leiden – z. B. unter dem allgegenwärtigen Leistungsdruck auf allen Ebenen, immer der Beste, Grösste und Stärkste zu sein: Sei dies bei der Erziehung, in der Schule, im Beruf, in der Familie, im Freund*innenkreis oder Sport.

Für einen solchen Austausch braucht es aber auch Mut und den Willen, am Status quo – der vor allem Männern* in gewissen Situationen zugutekommt – etwas zu ändern. Es gilt, das Bekannte zu verlassen, sich seinen Zweifeln und Ängsten zu stellen und Neues zu wagen. Und es braucht Vorbilder.

Eine «gesunde Männlichkeit» ist eine Männlichkeit, die eine Vielfalt von Männlichkeiten zulässt. Die gleichgestellt ist mit anderen Geschlechtsidentitäten und Geschlechtsausdrücken. Die nicht Macht hat, weil sie andere unterdrückt, sondern weil sie stark für sich und andere ist. Die nicht einschränkend oder marginalisierend ist. Eine «gesunde Männlichkeit» ist eine Männlichkeit, die den Jungs, Männern – und allen anderen Personen – der Zukunft die Möglichkeit gibt, sich frei zu entfalten, frei zu entscheiden, wie/wer/was sie sein wollen.

 

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