«SOGUS – Sexuelle Orientierung, Geschlecht und Schule» (2022–2024)

Über die Hälfte von LGBTIQA+ Schüler*innen fühlt sich an Schulen unwohl oder nicht sicher

19. Februar 2024

Ein neuer Forschungsbericht zur Situation von LGBTIQA+ Jugendlichen an Deutschschweizer Schulen zeigt: Über die Hälfte fühlt sich in der Schule unwohl oder nicht sicher. Dies aufgrund von Abwertungen, homo-, bi- und transfeindlichen Sprüchen und Ausgrenzung.

Text: Predrag Jurisic/SOGUS-Projekt
Beitragsbild: Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG)

 

«SOGUS – Sexuelle Orientierung, Geschlecht und Schule» (2022–2024)

«SOGUS – Sexuelle Orientierung, Geschlecht und Schule» (2022–2024): ein Projekt der Universität Bern, der Pädagogischen Hochschule Zürich und der Pädagogischen Hochschule Bern.

 

«Wie geht es LGBTQ+ Jugendlichen in Deutschschweizer Schulen?» Dieser Leitfrage ist der Forschungsbericht des Projektes «SOGUS – Sexuelle Orientierung, Geschlecht und Schule» nachgegangen – mit Ergebnissen, die aufhorchen lassen: 58,4 % der befragten LGBTIQA+ Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren fühlen sich in der Schule unwohl oder nicht sicher. Dies aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und/oder ihres Geschlechtsausdrucks. Bei trans Jugendlichen sind es gar 68,8 %, bei nicht-binären Schüler*innen 52,5 %.

Dieses Unwohlsein oder fehlende Sicherheitsgefühl mündet darin, dass:

  • 42,1 % der Befragten im letzten Monat mindestens einen ganzen Schultag verpasst haben, jede siebte Person (14,2 %) sogar vier oder mehr Tage.
  • 14,3 % der Teilnehmenden deswegen die Schule gewechselt haben. Bei trans Jugendlichen sind es 25 %.

 

Fehlende Unterstützung und Akzeptanz im Schulumfeld

Neben den homo-, bi- und transfeindlichen Sprüchen macht den LGBTIQA+ Jugendlichen auch die fehlende Unterstützung und Akzeptanz im Schulumfeld zu schaffen: Knapp die Hälfte der Befragten (49,1 %) bekommt homofeindliche Bemerkungen vom Schulpersonal zu hören, 92,1 % von ihren Mitschüler*innen. Auch fehlt laut 53,7 % der Teilnehmenden eine Intervention von Lehrpersonen, wenn es zu abwertenden Sprüchen kommt. 60,2 % der trans und 60,3 % der nicht-binären Jugendlichen erfahren verbale Belästigung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, 42,5 % der cisgeschlechtlichen homosexuellen Jugendlichen wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Dies hat zur Folge, dass drei Viertel der befragten LGBTIQA+ Jugendlichen Belästigungen und Übergriffe den Lehrpersonen nie melden. Die häufigsten Gründe hierfür sind: keine Erfolgsaussichten, Angst vor ungewollter Aufmerksamkeit und das Beurteilen als «nicht schlimm genug». Und wer sich dann doch traut und Vorfälle meldet, erhält von den Lehrpersonen keine Unterstützung. Dies berichtet knapp die Hälfte (49 %) der befragten LGBTIQA+ Jugendlichen.

 

Lehrplan Q mit Unterstützungsangebot für Deutschschweizer Schulen

Oft sind Lehrpersonen und Schulleitungen auch überfordert, weil ihnen gut zugängliche Unterstützungsangebote fehlen. Das Projekt Lehrplan Q schafft hier Abhilfe – mit Materialien, Weiterbildungsangeboten und der Vermittlung von Klassenbesuchen zur Sensibilisierung der Schüler*innen. Hauptträgerin des Projekts ist Pink Cross. Zu den nationalen Projektpartnern gehören die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) sowie das Transgender Network Switzerland (TGNS).

Projekt Lehrplan Q: Unterstützungsangebote für Schulleitungen und Lehrpersonen

Projekt Lehrplan Q: Unterstützungsangebote für Schulleitungen und Lehrpersonen.

 

Klassenbesuche auch von der Fachstelle für Aids- und Sexualfragen (AHSGA)

Die Fachstelle für Aids- und Sexualfragen (AHSGA) ist ebenfalls Projektpartnerin von Lehrplan Q. Sie organisiert Klassenbesuche in den Kantonen St.Gallen, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden. Das Schulprojekt dazu heisst COMOUT und wird von Volks- und Berufsschulen rege genutzt. Dabei besuchen homo- und/oder bisexuelle Freelancer*innen Schulklassen oder Jugendgruppen.

Bei diesen Begegnungen geht es zum einen um grundlegende Wissensvermittlung im Bereich der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt. Zum anderen steht vor allem die persönliche Begegnung mit einer queeren Person im Fokus.

Die Schüler*innen erfahren durch das autobiografische Erzählen der Freelancer*innen, wie deren Coming-out abgelaufen ist, welche Schwierigkeiten damit verbunden waren und auch, was sich dadurch im Leben dieser Person zum Positiven verändert hat.

Interessierte Schulleitungen und Lehrpersonen aus St.Gallen und Appenzell wenden sich für das COMOUT-Projekt direkt an die Fachstelle unter: info@ahsga.ch | 071 223 68 08. Weitere Projektpartner*innen der Deutschschweiz finden Sie auf Lehrplan Q.

 

Schulprojekt COMOUT

Schulprojekt COMOUT

Mit unserer Arbeit an Schulen machen wir die Vielfalt an sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten sichtbar und setzen so ein Zeichen für Akzeptanz. Homo- und/oder bisexuelle Freelancer*innen des Schulprojekts COMOUT besuchen Schulklassen oder Jugendgruppen.

Bei diesen Begegnungen geht es zum einen um grundlegende Wissensvermittlung im Bereich der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt. Zum anderen steht vor allem die persönliche Begegnung mit einer homo- oder bisexuellen Person im Fokus.

Die Schüler*innen erfahren durch das autobiografische Erzählen der Freelancer*innen, wie deren Coming-out abgelaufen ist, welche Schwierigkeiten damit verbunden waren und auch, was sich dadurch im Leben dieser Person verändert hat.

Das Schulprojekt COMOUT verbindet sachliches Grundlagenwissen mit der emotionalen Seite persönlicher Coming-out-Geschichten. Dazu kommen verschiedene didaktische Herangehensweisen zum Einsatz.


Ziele des Schulprojekts

Die Schule kann ein diskriminierender und damit prägender Ort für junge LGBTIQA+ Menschen sein. Denn zusätzlich zur alterstypischen Identitätsentwicklung müssen sie sich mit dem Thema der sexuellen Orientierung/Geschlechtsidentität und dem Coming-out auseinandersetzen.

Dieser Prozess ist oft mit Angst vor vermeintlicher oder tatsächlicher Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt verbunden. Junge LGBTIQA+ Menschen fühlen sich in dieser Entwicklungsphase häufig allein gelassen. Um die mentale Gesundheit betroffener Schüler*innen zu schützen und Jugendliche im Allgemeinen zu sensibilisieren, ist die Schule eine prädestinierte Umgebung für Präventionsmassnahmen. Das Schulprojekt COMOUT fördert eine persönliche Auseinandersetzung der Schüler*innen mit dem Thema der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt und trägt somit zu einem besseren Verständnis für verschiedene sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten bei.

Mit den Schulbesuchen verfolgen wir konkret diese Ziele:

  • Thematisieren von Klischees, Geschlechterrollen und Geschlechtsstereotypen
  • Auseinandersetzen mit Vorurteilen und Anregen zur Reflexion
  • Ermöglichen von Einblicken in queere Lebenswelten
  • Fördern eines Verständnisses für ein Coming-out und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Gefühle sowie die Chancen
  • Schaffen eines Bewusstseins für das Reden über die Sexualität ganz allgemein und über die Vielfalt im Besonderen
  • Beantworten von Fragen der Schüler*innen in einer offenen Weise und respektvollen Atmosphäre

Informationen zum Angebot

Aktuell leisten rund ein Dutzend bi- oder homosexuelle Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren jährlich rund 150 COMOUT-Einsätze in den Kantonen St.Gallen und beiden Appenzell. Nachfolgend erhalten Sie Informationen zu den Rahmenbedingungen für unsere Schulbesuche.

Grundsätzliches

Lesbische oder bisexuelle Frauen und schwule oder bisexuelle Männer besuchen Schulklassen in den Kantonen St.Gallen und Appenzell. Sie gestalten im Zweierteam eine 90-minütige Unterrichtseinheit zur Vielfalt in sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten und zu ihrem Coming-out. So fördern sie eine persönliche Auseinandersetzung der Schüler*innen mit dem Thema.

Dazu gibt es verschiedene Methoden und Spiele. Die gestaltete Unterrichtseinheit wird teilweise in der gesamten Klasse durchgeführt. Im Zentrum steht die Gleichwertigkeit verschiedener Ausprägungen sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Bei den Einsätzen ist die Lehrperson grundsätzlich nicht anwesend.

Zielgruppen

Die Zielgruppe des Projekts sind vor allem Jugendliche der Volksschule ab der ersten Oberstufe und junge Erwachsene in Berufsschulen, Kantonsschulen oder Jugendtreffs. Bei den jüngeren Schüler*innen wird das Thema Vielfalt nicht im Rahmen des COMOUT-Projekts, sondern im Angebot der Sexualpädagogik stufengerecht thematisiert.

Das Schulprojekt COMOUT spricht auch Lehrpersonen, Schulsozialarbeitende und Sozialpädagog*innen in entsprechenden Weiterbildungen an. Für folgende Gruppen können unsere Schulbesuche gebucht werden:

  • Klassen der Volksschulen (ab 1. Oberstufe), Kantonsschulen, Berufsschulen
  • Vereine, Jugendtreffs (ab 12 Jahren)
  • Aus- und Weiterbildungen von Lehrpersonen, Schulsozialarbeitenden und Sozialpädagog*innen

Ablauf

Ein Besuch kann aus den folgenden Modulen bestehen:

  • Spielerische Einführung ins Thema
  • Infoblock: Begriffe, Fakten, Zahlen, Rechtliches, Gesellschaftliches
  • Coming-out-Geschichten
  • Persönliche Frage- und Diskussionsrunde (in geschlechtergetrennten Gruppen)

Unsere Freelancer*innen stellen aus den vorhandenen Modulen ein für die Zielgruppe und den Rahmen passendes Programm zusammen.

Organisation

Die Fachstelle für Aids- und Sexualfragen übernimmt die Planung, Organisation und Kommunikation rund um die Einsätze. Wir empfehlen Ihnen eine frühzeitige Kontaktaufnahme (spätestens vier Wochen vor dem geplanten Einsatz). Die Veranstaltung findet im Schulzimmer oder Vereinslokal statt.

Kosten

Die Schulen oder Vereine beteiligen sich an den Kosten für einen COMOUT-Schulbesuch. Die Ansätze für einen Einsatz berechnen sich wie folgt:

  • 90 Minuten pro Freelancer*in Fr. 130.–, also total Fr. 260.- für den Standardworkshop (zzgl. Fahrspesen, ohne Ermässigung)
Möchten Sie das Schulprojekt COMOUT buchen?

Dann freuen wir uns über Ihre Nachricht oder Ihren Anruf. Gemeinsam klären wir einen möglichen Termin sowie die  Rahmenbedingungen ab.


Medienberichte, Links und Informationsmaterialien

Medienberichte

Unser ehemaliger Freelancer Markus Stehle (links im Video) berichtet über das Schulprojekt und seine Erfahrung im Video-Interview  (09/2015)

Informationsmaterialien

Hier finden Sie weitere Informationsmaterialien rund um das Projekt COMOUT.

  • Das Karten-Set «Coming-out» beinhaltet Informationen zu sexuellen Orientierungen, zu Geschlechtsidentitäten und zum Coming-out. Das Set kann hier kostenlos heruntergeladen oder in gedruckter Form gratis bestellt werden.
  • DIVERSITY EXISTS ist ein Schweizer Kurzfilm. Er thematisiert die Schwierigkeiten in der Schule bei einem Coming-out. Dazugehörige Unterrichtsmaterialien erleichtern die Einbettung in den Schulunterricht.

Qualität und Partnerschaften

Die Workshops von COMOUT orientieren sich an den Kompetenzen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gemäss Lehrplan 21. Zudem entsprechen die Schulbesuche dem Code of Conduct des Projekts Lehrplan Q

COMOUT ist in den Kantonen St.Gallen und Appenzell tätig. Für Schulbesuche in den anderen Regionen sind folgende Organisationen zuständig:

  • In den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft ist der Verein queeres ah&oh aktiv. 
  • In den anderen deutschsprachigen Kantonen ist der Verein «ABQ» aktiv.

COMOUT ist Mitglied bei LehrplanQ. Dieses nationale Projekt strebt an, die Themen LGBTQ+ in der Schule und eine LGBTQ+ sensibilisierte Sexualaufklärung auf allen relevanten Ebenen zu verankern. Im Rahmen des Projekts werden Schulprojekte mit professionalisierten Aus- und Weiterbildungen, gemeinsamen Unterrichtsmaterialien und neuen Prozessen der Qualitätssicherung gestärkt.

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Weitere Angebote für Volks-, Berufs- und weiterführende Schulen sowie Kitas und Horte

Sexualpädagogisches Wissen und Unterrichtsmaterialien

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